Mittwoch, 2. Juli 2008

Der Kusch-Skandal: Suizid-Automat nicht angewendet?

(mah/ace) Hamburg, 02.07.2008 - Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat wohl nicht, wie zuerst angenommen, seinen Suizid-Automaten eingesetzt, um der Rentnerin Bettina S. (79) beim Sterben zu helfen. Sie hat einen tödlichen Tabletten-Cocktail aus Malaria- und Beruhigungstabletten zu sich genommen. Dies bestätigte die Staatsanwaltschaft Würzburg, die den Leichnam der Frau nach dem Selbstmord obduzierte. " Es handelt sich um einen normalen Suizid ohne rechtlich relevante Fremdbeteiligung", so ein Sprecher. Kusch beteuerte, er habe die Medikamente nicht besorgt. Wie erwartet, hat der Fall bundesweite Beachtung und Empörung hervorgerufen. Übereinstimmend nannten alle das Vorgehen Kuschs als unerträglich und als Ausdruck einer fast krankhaften Selbstinzinierung.

Am Montag ging der selbsternannte Sterbehelfer Kusch vor die Presse und berichtete ausführlich über seine erste Sterbebegleitung. Um nicht selbst in den Verdacht der Beihilfe zum Suizid oder der unterlassenen Hilfeleistung zu kommen, hat Kusch das gesamte Gespräch am Todestag der Rentnerin auf Video aufgezeichnet. Ausschnitte aus dem Video präsentierte er bei der Pressekonferenz. Kurz bevor der Giftcocktail anfing zu wirken, habe Kusch das Zimmer verlassen. Zuvor habe ihm die Rentnerin noch einen Dankesbrief überreicht. Der gesamte Sterbeprozess wurde ebenfalls auf Video festgehalten.

Die Rentnerin aus Süddeutschland war nicht todkrank. Zwar hatte sie Diabetes, konnte sich nicht mehr richtig bewegen, war aber sonst gesund. Sie hinterlässt keine Kinder, keinen Ehemann, nur eine Halbschwester. Sie hatte Angst, in ein Pflegeheim abgeschoben zu werden und dort bis zu ihrem Tode dahin zu vegetieren. Als gelernte Krankenschwester und Röntgenassistentin wußte sie genau, welche Mittel notwendig sind, um ihren Leben ein Ende zu bereiten.

In ihrem Brief zeigte sich die Rentnerin dankbar, das es Kusch gab und er sich ihrer als Person und ihrem Wunsch nach einem Freitod angenommen habe. Zu dem Vorwurf, Frau S. sei nicht schwer krank gewesen und sie habe nur Angst vor dem Pflegeheim gehabt, sagte Kusch gegenüber der Hamburger MoPo: " Sie war alles andere als ängstlich. Sie war außerordentlich mutig. Sie hat kühl und emotionslos ihre Zukunft durchdacht und gesagt, dass ein Pflegeheim für sie nicht in Frage komme". Auf die Frage, ob er es wieder tun würde, antwortete Kusch: "Ja. Mein prinzipielles Angebot, Sterbehilfe zu leisten, werde ich nicht zurücknehmen. Wir haben, was diesen Punkt angeht, die gleiche Zwei-Klassen-Gesellschaftwie vor 20 Jahren bei der Abtreibung. Ich will den Menschen in Deutschland die unwürdige Fahrt in die Schweiz ersparen. Und ich will, das sie wissen: Sie müssen nicht in die Schweiz fahren".

Der Kusch-Skandal schlägt auch in der Hamburger Politik hohe Wellen. Auch der Bürgermeister steht in der Kritik. Kusch ist der zweite Senator, der sich nach seinem Rausschmiss aus dem Hamburger Senat mit Skandalen erneut zu Wort meldet. Ole von Beuts muss sich nun wieder einmal mit seiner politischen Vergangenheit auseinandersetzen. Da ist der Skandal-Politiker Ronald Barnabas Schill, ehemals Innensenator, auf der einen Seite und Roger Kusch auf der anderen Seite. Schill, nach Erpressungsversuchen gegenüber dem Ersten Bürgermeister, flog als erster aus dem Senat und machte Furore als Kockser. Kusch, ehemals Justizsenator unter Ole von Beust, musste wegen der Protokollaffäre und der illegalen Weitergabe von Dokumenten, seinen Hut nehmen. Als gescheiteter Parteigründer (HeimatHamburg) ist er nun als populistischer Sterbehelfer und Amokläufer unterwegs. All dies wirft kein gutes Licht auf die Personalpolitik des Ersten Bürgermeisters, so die SPD.


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Text-Nr.: 006:07:08 Politik


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